interview 10 21 01Der Gesamtweltcup-Zweite der vergangenen Saison, Marco Odermatt, spricht im grossen Interview zum Saisonauftakt über seine Ziele, den Steilhang in Sölden, den Red Bull-Dokumentarfilm über seine Person und Loïc Meillard, die Klassiker im Januar und die Olympischen Spiele in Peking. 

Mit dem Riesenslalom in Sölden startet der alpine Ski-Weltcup im Oktober traditionell in die neue Saison. Sechs Monate Saisonvorbereitung stehen kurz vor dem Abschluss, wie lautet Dein Fazit zur Vorbereitung?

Die Vorbereitung verlief optimal. Ich habe noch nie so gut trainiert. Die gesamte Vorbereitungsphase verlief verletzungsfrei, auch hatte ich keine verletzungsbedingten Nachwehen aus der vergangenen Saison. Im konditionellen wie auch im Kraft-Bereich habe ich entsprechend noch einmal einen Schub zugelegt. Wir haben anfangs Mai mit dem Konditionstraining mit den Schwerpunkten Ausdauer, Velo, Wandern und Bike begonnen. Im Juni folgte dann der Aufbau im Kraftbereich, wo ich mit meinem Konditionstrainer Kurt Kothbauer von Swiss Ski Ende Juni auch erste Tests und Trainings im Athlete Performance Center von Red Bull in Thalgau bei Salzburg absolvierte. Rund ein Monat später folgten dann die ersten Schneetrainings, wobei wir mit dem Team von den hervorragenden Bedingungen auf den Gletschern in Zermatt und Saas Fee profitieren konnten. Mittlerweile habe ich 21 Skitage in vier Blöcken hinter mir. Vor dem Saisonauftakt in Sölden werden noch einmal rund acht Skitage dazukommen. Ende dieser Woche trainieren wir auf der Diavolezza, dann wohl auch noch in Sölden selbst. Zuletzt stand ich vor drei Wochen auf den Skiern, ein dreiwöchiger Konditionsblock mit einigen Medientagen liegen hinter mir. 

Wie gross ist als Fahrer die Vorfreude auf den Saisonauftakt?

Ich freue mich darauf, dass der Fokus nun wieder auf dem Skifahren liegt. Als Fahrer geniesse ich aber auch die Sommermonate, ohne Druck und mit geringerem medialem Interesse an meiner Person, so dass ich mehr oder weniger ein normales Leben führen kann und auch viel zu Hause bin. Nun beginnt wieder eine ganze andere Zeit. In den nächsten sechs Monaten werde ich meist unterwegs sein und der Sport wird ganz im Mittelpunkt stehen. 

interview 10 21 02Wie unterscheiden sich Schneetrainings auf der Diavolezza von den Trainings in Zermatt und Saas Fee?

Einerseits bieten diese Trainingseinheiten eine gewisse Abwechslung, mit unterschiedlichen Pistenbedingungen und -verhältnissen. Dann kann man auf der Diavolezza im Unterschied zu Saas Fee und Zermatt die Pisten auch mit Wasser präparieren, so dass in den Trainings Rennen mit harten, eisigen Pistenverhältnissen simuliert werden können. 

Habt Ihr in dieser Saisonvorbereitung besondere Akzente gesetzt oder gestaltete sich diese im üblichen Rahmen?

Die Saisonvorbereitung verlief mehr oder weniger im üblichen Rahmen. Selbstverständlich versucht man stets, das eine oder andere zu optimieren, auch im Materialbereich. In den Schneetrainings haben wir vor allem auch langsamere, stark drehende Kurssetzungen trainiert. In solchen Läufen bekundeten wir in der vergangenen Saison mehr Mühe als mit den schnellen, flüssigen Kurssetzungen.

Bereitest Du Dich auch mental auf die Saison vor, indem Du beispielsweise gewisse Rennen noch einmal auf Video anschaust oder Dir einzelne Rennstrecken visualisierst?

Gerade vor einigen Tagen habe ich mir noch einmal gewisse Trainingsläufe und das Rennen in Sölden auf Video angeschaut, um mir den Kurs noch einmal in Erinnerung zu rufen. Die Kurssetzung in Sölden unterscheidet sich von Jahr zu Jahr nicht allzu stark. Die Topographie des Hangs gibt vieles vor und die Kurssetzung variiert nur in gewissen Grenzen. Zum Saisonauftakt ist zudem nicht damit zu rechnen, dass ein ganz überraschender Kurs gesetzt wird. In den Schneetrainings mit dem Team ist das Videostudium fester Bestandteil. 

Wie wichtig ist die Kurssetzung durch den eigenen Trainer?

Es ist sicherlich kein Nachteil, wenn der eigene Trainer den Kurs setzt. Auch wenn die Kurssetzung ja nicht völlig frei gewählt werden kann. Die Topographie gibt vieles vor. Bei meinen beiden Riesenslalom-Siegen, sowohl in Santa Caterina als auch in Kranjska Gora, hat mein Trainer den zweiten Lauf gesteckt. 

Setzt Du Dir konkrete Ziele für diese Saison oder ist Dein Fokus ganz auf die einzelnen Rennen gerichtet? 

Allgemein bin ich mit Zielsetzungen eher vorsichtig. Meine Zielsetzung lässt sich vielleicht am besten damit zusammenfassen, in jedem Rennen das Bestmögliche zu erreichen. Situationsbedingt kann manchmal auch ein fünfter Rang ein zufriedenstellendes Resultat sein. Man spürt als Fahrer intuitiv, was an einem Renntag möglich ist bzw. im Rückblick möglich gewesen wäre, und darauf basiert dann auch meine persönliche Beurteilung meiner Leistung. Der Gesamtweltcupsieg ist nach der letzten Saison sicher ein Ziel. Aber da muss sehr viel zusammenpassen.   

Das Rennen in Sölden startet auf 3'040 Meter, die maximale Hangneigung beträgt 65% – eindrückliche Eckwerte, nur für uns Zuschauer oder auch für Dich als Fahrer? 

An die Höhe und die reduzierte Sauerstoffzufuhr sind wir durch die Gletschertrainings in Zermatt und Saas Fee im Sommer bereits gewöhnt. Das Rennen in Sölden ist auch ein wenig kürzer als andere Riesenslaloms. Dennoch ist es sehr intensiv. Beim Saisonauftakt ist die Nervosität meist noch ein wenig grösser. Der Steilhang in Sölden ist für uns Fahrer insofern speziell, als dieser sehr lang ist. Es gibt im Weltcup zwar steilere Hänge als in Sölden, beispielsweise den Zielhang in Adelboden, aber es gibt keinen längeren Steilhang. In Sölden fährt man nahezu eine halbe Minute in dieser extremen Hangneigung, 15 Tore Schwung auf Schwung. Bis Mitte Steilhang gilt es dabei souverän zu fahren, möglichst keine Fehler zu machen. Im Steilhang muss man dabei als Fahrer immer auch improvisieren. Es braucht eine gewisse Höhe in den Toren, was bei dieser Steilheit nicht ganz einfach ist, weil man nach unten gedrückt wird. Den Schwung gilt es vor dem Tor aufzubauen, so dass man nicht immer zu spät kommt. Das Rennen wird aber dann in der unteren, zweiten Streckenhälfte entschieden. Da muss man in die Fläche hinaus beschleunigen und möglichst viel Geschwindigkeit mitnehmen. 

Wie unterscheidet sich eine Rennstrecke auf einem Gletscher von einem klassischen Rennhang? 

Das Rennen in Sölden ist mit einem klassischen Gletschertraining in Saas Fee oder Zermatt im Sommer nur bedingt vergleichbar. Bis zum Saisonauftakt hat es auch in Sölden meist bereits geschneit. Es wird zudem mit natürlichen Schneedepots gearbeitet und die Piste wird gewässert, so dass sich die Pistenverhältnisse doch stark von einer reinen Gletschereis-Piste unterscheiden. 

Nach Sölden dauert es dann über einen Monat bis zu den Rennen in Lake Louise. Wie geht man als Fahrer mit dieser langen Wettkampfpause um?

Die Pause fühlt sich für die Skifans wohl länger an als für uns. Wir kennen es ja nicht anders. Zwischen Sölden und Lake Louise findet in Lech auch noch ein Parallelrennen statt, an dem ich aber nicht teilnehmen werde. Nach Sölden steht noch einmal eine Woche Konditionstraining auf dem Programm und dann brechen wir bereits nach Nordamerika auf, wo wir die Speed-Disziplinen intensiv trainieren. Im Speed-Bereich sind wir derzeit trainingsmässig noch nicht auf Weltcup-Niveau. Während in Europa im November die Trainingsbedingungen witterungsbedingt nicht besonders gut sind, finden wir in Nordamerika zu dieser Zeit meist hervorragende Trainingsbedingungen vor. 

Auf welche Rennen freust Du Dich als Fahrer besonders?

Ich freue mich sicherlich auf die drei Klassiker im Januar: Adelboden, Wengen und Kitzbühel, dann sicherlich auch auf Nordamerika. Diese Rennen fielen im vergangenen Jahr aus und ich fühle mich da auf diesen Pisten stets sehr wohl.  

Im Vorfeld dieser Saison war viel von dem Weltcup-Programm die Rede, sprich einer ausgewogeneren Rennverteilung von technischen und schnellen Disziplinen. Inwiefern kommt Dir diese neue Rennverteilung im Kampf um den Gesamtweltcup zugute?

Das ist für mich, der auch in den Speed-Disziplinen zuhause ist, sicher ein Vorteil gegenüber Alexis Pinturault oder vielleicht auch Loïc Meillard. Aber die Rennen müssen dann auch alle stattfinden, sonst sieht es schon wieder anders aus. 

In der vergangenen Saison hast Du insbesondere auch in der Abfahrt grosse Fortschritte erzielt. Ist damit zu rechnen, dass Du in dieser Saison nun sämtliche Abfahrten bestreitest oder entscheidest Du mit dem Trainerteam fallweise?

Meine Planung sieht vor, dass ich alle drei Disziplinen fahre: Riesenslalom, Super-G und Abfahrt. Meine Saisonvorbereitung ist auch auf diese Belastung ausgelegt. Entsprechend haben wir auch an meinen konditionellen Grundlagen in diesem Sommer gearbeitet. Ich hoffe, dass ich meine Fortschritte in der Abfahrt in dieser Saison bestätigen kann. Im Gegensatz zur vergangenen Saison, wo ich zum Saisonauftakt noch eine hintere Startnummer zugeteilt erhielt, kann ich nun in der Abfahrt weiter vorne starten. Dies ist in der Abfahrt nicht ganz so wichtig wie in den technischen Disziplinen, vor allem bei harten, eisigen Pisten. Aber bei warmen Temperaturen und weichen Pistenverhältnissen, was in der vergangenen Saison nicht selten war, kann dies einen Unterschied ausmachen. 

Testrennen im Rahmen des Weltcups konnten in China nicht ausgetragen werden. Siehst Du darin eher einen Vorteil für Dich oder bist Du ein Fahrer, der sich sukzessive auf einer Strecke steigert, je besser er sie kennt?

Ich kann mich relativ rasch auf eine neue Strecke einstellen, entsprechend sehe ich dies als Vorteil für mich an. Die Situation präsentiert sich ähnlich wie in Cortina, was auch zu gewissen Komplikationen führen kann, wie wir ja gesehen haben. In der Abfahrt ist die Kurssetzung mit GPS ausgemessen und - abgesehen von gewissen Ausnahmefällen – stets gleich. Dies bevorzugt Fahrer mit einer gewissen Erfahrung und Routine, die diese Strecke bereits mehrere Male gefahren sind. Dies wird an den Olympischen Spielen nicht der Fall sein. Wichtig ist, dass man aus jenen Trainingseindrücken und Erkenntnissen, welche man vor dem Wettkampf sammeln kann, das Bestmögliche macht. 

Die Frage der Impfpflicht im Weltcup ist inzwischen ein Dauerthema. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Die aktuellen Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit sehen eine Impfdosis nach einer Erkrankung vor. Auf eine zweite Impfdosis kann aktuell entsprechend den Empfehlungen verzichtet werden. Ich habe mich im vergangenen Winter mit dem Virus infiziert und bin inzwischen auch einmal geimpft. Da für die Rennen in Lake Louise aber wohl nur doppelt geimpfte Personen zugelassen sind – dasselbe gilt aller Wahrscheinlichkeit für die Olympischen Spiele in Peking –, werde ich mich nach Rücksprache mit dem Medical Team von Swiss Ski nach Sölden ein zweites Mal impfen lassen.  

Wie sieht es materialmässig aus – habt Ihr da in der Vorbereitung viel getestet oder vertraust Du auch in dieser Saison auf das bewährte Material? 

Materialmässig nehmen wir in die neue Saison mit, was vergangene Saison funktioniert hat. Aber wir haben auch einige Neuerungen getestet. Ich bin sehr zuversichtlich. 

Gab es Änderungen in Deinem sportlichen Umfeld oder bist Du mit dem bewährten Team unterwegs?

Es gab keine Änderungen im Team. Ich bin mit dem bewährten Team unterwegs. Mit meinem Servicemann Chris gehe ich mittlerweile bereits in die sechste Saison. 

In den letzten Wochen wurde häufig darüber diskutiert, wie der Skirennsport noch attraktiver gemacht werden soll. Von mehr Nachtskirennen und der Abschaffung des Super-G war dabei die Rede. Siehst Du als Fahrer überhaupt einen Veränderungsbedarf oder wie stellst Du Dich zu diesen Neuerungen? 

Da wird derzeit viel geschrieben. Bei den vier Hauptdisziplinen Slalom, Riesenslalom, Super-G und Abfahrt sehe ich aus sportlicher Sicht keinen Veränderungsbedarf, insbesondere nicht wenn dabei gegen die Zeit gefahren wird. Dem Parallelformat stehe ich allgemein kritisch gegenüber. Das grösste Potenzial sehen wir Fahrer in der Vermarktung bzw. der Art und Weise wie der Skisport übertragen wird, mit Kamerapositionen etc.    


Der von Markus Pfeil gestaltete neue Red Bull Helm von Marco Odermatt.

Am Montag findet in Luzern die Premiere des Red Bull-Dokumentationsfilms über Loïc Meillard und Dich statt. Die Dokumentation wird dann auch auf SRF und weiteren Sendegefässen gezeigt werden. Mit was für einem Gefühl schaut man mit 24 Jahren eine Dokumentation über sich selbst?

Ich freue mich darauf und finde dies sehr cool. Ich bin selbst neugierig, wie der Film in der Öffentlichkeit ankommt und hoffe, dass das interessierte Publikum dadurch einen vertieften Einblick in den Skisport erhält. Als Weltcup-Fahrer gewöhnt man sich im Laufe der Zeit, sich im TV zu sehen bzw. sich im Radio zu hören, insofern ist dies für mich nicht besonders speziell. Aber ich fühle mich natürlich aufgrund des Interesses an meiner Person geehrt und freue mich auf die Premiere. 

Interview: Claudio Beccarelli

 

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